7. Mai 2024

„Die anderen wissen nicht, wie gut du bist.“

Das musste ich bei meinem Start als Freelancer auf die harte Tour lernen.

In einem Umfeld, in dem dir dein Ruf vorauseilt, musst du nicht viel tun, um als die beste Wahl angesehen zu werden. Aber in einem neuen Umfeld musst du viel mehr tun, als du denkst. Du musst dein Ego überwinden und neu anfangen.

Bei Jung von Matt nannten sie mich liebevoll den „CSS-God“. Diesen Status habe ich mir über die Jahre hart erarbeitet. Wenn es eine Herausforderung in Sachen Styling gab, wurde ich um Rat gefragt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht genossen habe.

Letzte Woche erhielt ich überraschend eine Absage für einen potenziellen Auftrag. Ein Auftrag, der genau meinen Vorstellungen entsprach. Die Gespräche liefen – so dachte ich zumindest – sehr gut. Ich war mir sicher, dass sie genau jemanden wie mich brauchen. Mit meiner offenen und selbstbewussten Art erzählte ich ihnen, was ich alles kann. Auf jede noch so knifflige Frage hatte ich eine noch überzeugendere Antwort parat. CSS? Das kann ich am besten! Barrierefreiheit? Klar, da bin ich auch Profi! Ich weiß nicht warum, aber irgendwie ging ich davon aus, dass meine Gesprächspartner:innen wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Das war ich von früher gewohnt. Ich sprach über die hohe Messlatte, die wir uns in meinem alten Team gesetzt hatten. Dann habe ich mir sogar die Bemerkung erlaubt, dass die meisten Entwickler:innen CSS nicht wirklich ernst nehmen und nicht das volle Potenzial ausschöpfen.

Ich erntete harsche Blicke. Rückblickend sehe ich diese Blicke sehr selbstkritisch. Es waren keine bösen Blicke. Es waren skeptische Blicke mit einer ordentlichen Portion Misstrauen. Ich war überheblich. Ich wirkte wie ein Klugscheißer, der alles besser weiß, aber nichts beweisen kann. Wie ein Hochstapler. In Hamburg nennen wir so jemanden einen Schnacker. Ich bin kein Schnacker, das passt nicht zu meinem Selbstbild.

Aber wie beweise ich das den anderen? Ich denke, indem ich einen (oder zwei) Gänge zurückschalte. Ich sollte mich vom Statusdenken meines alten Umfelds verabschieden und mich mehr darauf konzentrieren, in meinem neuen Umfeld einen nachhaltig positiven Eindruck zu hinterlassen. In aller Demut und Bescheidenheit. Ich glaube, auch das gehört dazu, wenn man seine Komfortzone verlässt. Michael Jordan wurde auch nicht über Nacht zum großen Golfer, nur weil er der größte Basketballer war.

Die Lehre, die ich daraus gezogen habe: Es ist besser, tief zu stapeln und später zu glänzen, als hoch zu stapeln und sofort zu fallen.

P.S. Es hat mich Mut gekostet, diesen Artikel zu veröffentlichen. Es ist nicht leicht, über eigene Fehler zu berichten, weil man sich damit angreifbar macht. Dennoch möchte ich mit diesem Beitrag meine Gedanken und Gefühle teilen und damit Menschen helfen, denen es ähnlich geht. Seid kritischer mit euch selbst, als mit anderen. Wir lernen. Wir wachsen.

Eine Grafik, die beschreibt, wie sich das Hoch- bzw. Tiefstapeln in einem neuen Umfeld auswirken kann.

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